In weiter Ferne, der Mensch

Hegel Hölderlin Schelling Tübingen

Von Markus Bauer

Ein Jahr vor der großen französischen Revolution. Gespannte Erwartung liegt in der Luft. Während das Establishment wie auf einem blinden lebensmüden Pferd auf morschen Glaubenssätzen und überholten Dogmen in der Vergangenheit verharrt, schlägt in Tübingen die Stunde der Denker. Hölderlin, Hegel und Schelling: Eine Wohngemeinschaft, deren Sehnsucht nach einer besseren Welt alle Ketten sprengt. Sie träumen von einer befreiten Zukunft, in der die Menschen miteinander verbunden sind, über alle Grenzen hinweg. Frei und gleich. Was war das für eine Zeit, in der drei junge Genies zwischen dicken Sandsteinmauern die radikale Befreiung aller Völker und Menschen erträumten?

In den Lagerhallen des ehemaligen Güterbahnhofs, dort, wo das kollektive Gedächtnis, das Archiv der Stadt, in Zukunft verortet sein wird, greifen wir Utopien von gestern und heute auf. Jenseits des Neckars, zwischen Gruben und Kränen, wo an der Zukunft gebaut wird, werfen wir Visionen in den noch leeren Raum. Mitten in Tübingen, mitten im Sommer, mitten im Offenen.

Es spielen:
Anna Hofmann, Bernhard Hurm, Kathrin Kestler, Silvio Kretschmer, Lucas Riedle, Linda Schlepps, Annabelle Sersch, Franz Xaver Ott, Gerd Plankenhorn, Julian- Nico Tzschentke

Tänzerinnen des Tanzstudios DANZON: Valentina Belova, Laura Börtlein, Luca Büchtemann, Helena Dalmau-Felderhoff, Elisabeth Faul, Carola Felten, Naïma Handel, Noemi Jacobi, Helen Koch, Leonie Michel, Linda Oberle, Mascha Selig, Antonia Schorer, Lea Stegemann, Clara Unseld

Klavier: Susanne Hinkelbein, Herwig Rutt (Flügel: J. R E X Z E)

Regie: Philipp Becker
Kostüme: Katharina Müller
Bühne: Anna Jacobi (Webseite www.annajacobi.eu )
Musik: Susanne Hinkelbein (Komposition)
Choreografie: Katja Büchtemann
Choreografie-Assistenz: Laura Börtlein
Video: Oliver Feigl
Kamera: Jan Nowicki, Matthias Schömer
Regieassistenz: Heidrun Tassinger
Produktionsleitung: Julia Hausch
Poduktionsassistenz: Mia Biermann
Hospitanz: Andrea Bilek

Wann: 19.07. bis 13.08.2017
Wo: Güterhalle / Ehem. Güterbahnhof, Eisenbahnstraße

Dauer: ca. 2,5 Stunden

 

Pressestimmen

  • Leiden unter der Enge, Auflehnung, ein dionysischer Rausch: Das Theater Lindenhof erzählt mit naheliegenden und unkonventionellen Mitteln von drei Geistesgrößen, wie sie die Universitätsstadt Tübingen im 18. Jahrhundert gesehen hat: Johann Christian Friedrich Hölderlin aus Lauffen am Neckar, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling aus Leonberg und Georg Wilhelm Friedrich Hegel aus Stuttgart.  Anna Hofmann, Silvio Kretschmer, Lucas Riedle, Annabelle Sersch und Julian-Nico Tzschentke, Schauspielstudenten an der Hochschule der Künste in Zürich, gaben dem Trio gemeinsam mit den Lindenhöflern Bernhard Hurm, Kathrin Kestler, Linda Schlepps, Franz Xaver Ott und Gerd Plankenhorn großartig Stimme und Gestalt. Ihr Auftreten muss vor allem als Ensembleleistung gewürdigt werden, folgt Beckers Regie doch einem dezidiert chorischen Prinzip, in dem die Rollenverteilung fließend ist. Die Textlast des Stückes erschlägt einen bisweilen fast. Substanz hat das alles und kommt überwiegend auch sprachmächtig daher. Die intensivsten Momente freilich sind die, in denen das Ensemble singt - »Das Wasser geht mir bis an die Seele« etwa - oder Lyrik rezitiert. Bühnenbildnerin Anna Jacobi hat das ohnehin imposante Gebäude zum theatralen Resonanzraum erweitert. Hinter den im Stück geöffneten Schiebetüren fällt der Blick auf reale Tübinger Baustellen. Eine Welt im Wandel. Vorproduzierte Videosequenzen und Liveübertragungen (verantwortlich: Oliver Feigl) geben der Aufführung Dynamik, beziehen Tübinger Stadtimpressionen und einen Rave auf dem Himmelberg bei Melchingen mit ein. So wird aus »In weiter Ferne, der Mensch« am Ende doch ein sinnlicher Abend. (Christoph B. Ströhle) Zum Artikel
    Reutlinger Generalanzeiger, 21.07.2017
  • "In weiter Ferne, der Mensch. Hegel Hölderlin Schelling Tübingen" ist mehr als eine bloße Nacherzählung der Ereignisse geworden. Umbruch, Aufruhr, Nähe und Ferne – die Lindenhöfler, unterstützt von Züricher Schauspielstudenten, spielen im und mit dem Raum und springen durch die Zeit. Begeistert reagierte das Publikum bei der Premiere auf die Aufführung. Besonders beeindruckte das Zusammenspiel der jungen Züricher Nachwuchsschauspieler und der "alten Hasen" des Lindenhofs. Der Güterbahnhof bildet die gelungen Kulisse, war er doch in den Neunzigerjahren selbst Ort so mancher Technoparty. (Michael Oehler) Artikel online
    Schwarzwälder Bote, 23.07.2017
  • Dass ein Theaterstück über die größte Dichter- und Denker-WG aller Zeiten vom Ursprungsort (Evangelischen Stift) an diesen zeitlos unwirtlichen Flecken Erde verlegt werden musste, hat etwas Befreiendes. Das Stück "In weiter Ferne, der Mensch" ist ein Auftragswerk, das der Dramatiker Markus Bauer fürs Lindenhoftheater geschrieben hat. Bauer hat dazu eine sehr ambitionierte Gedankenspielfassung über das Scheitern und Sichverflüchtigen hochfliegender Ideal verfertigt, bringt zunächst die Spekulationen über diese früh-"revolutionäre Zelle" gehörig zum Traben (...).  Philipp Beckers Regie fährt einiges auf: Eine gelegentlich mit Konzertflügel durch den Raum gleitende Musikerin Susanne Hinkelbein, die wuchtige, gemessen atonale Akkorde in die Tastatur kerbt. Junge Elevinnen des Tanzstudios Danzon, deren Einlagen das viele Diskutieren ein wenig auflockern sollen. Stimmungsvolle Videosequenzen (verantwortlich: Oliver Feigl), die aus Schwarzweiß-Kamerafahrten durch morgendlich-menschenleere Tübinger Atstadtgassen bestehen, Alb-Windräder aus der beschaulichen Vogelperspektive oder eine Friedensparty aur dem Himmelberg zeigen. Oder auch einige Ausflüge (soll man sagen : Ausbrüche?) der  stiften gehenden drei Jungs begleiten: Ins Offene, Freunde! Es sind vor allem die Züricher Schauspieler, die dem Stück den nötigen Elan geben. (Wilhelm Triebold)
    Schwäbisches Tagblatt, 21.07.2017
  • „In weiter Ferne, der Mensch“ ist die Uraufführung eines Stückes, das der Stuttgarter Autor Markus Bauer für den Lindenhof geschrieben hat – er vermischt Tübinger Impressionen mit Bildern vom Elend einer Klassengesellschaft, lässt Hegel, Schelling, Hölderlin im Jargon der Gegenwart poltern: „Megageil! Endprächtig!“ Bauers Text ist durchsetzt mit Zitaten, Provokationen, poetischen Bildern – auch der allgegenwärtige Reformator bleibt nicht ungeschoren. „In weiter Ferne, der Mensch“ ist eine packende Performance von zweieinhalb Stunden, die das Glück der Jugend feiert. Keine leichte Kost, gedankenschwer wild und herausfordernd. (Thomas Morawitzky)
    Stuttgarter Nachrichten, 20.07.2017