THEATER LINDENHOF – eine lebendige Beziehung zwischen Mensch und Raum

»Schön im Süden Schwabens, über dem Neckartal hinter den sieben Bergen liegt Melchingen. Die Alb ist eine eigene Gegend. Der Sommer mit hohem Licht, der Winter mit klarer Kälte, glanzvoll eventuell der Herbst, auch die Mehrheiten, die Ansichten, die Feinde soweit klar, hier und da noch Natur. Irland manchmal. Wind wie vom Meer, Mittelalter leidvoll und köstlich, Kargheit und Vitalität. – Eine gute Gegend für Geschichten. Hier liegt das Theater Lindenhof. Mitten im Dorf unter den Linden an der Allee: Kneipe und Kultur, Theater und Lebensform.«

So formulierten die Gründer 1981 den Traum von einem Theatermachen abseits von »Muss und Moden«. Eine Dorfgaststätte mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden wird mit privater Finanzierung erworben, der Verein Theater Lindenhof gegründet. Zur Eröffnung wurde die Geschichte eines Jugendlichen auf dem Land, der an den Verhältnissen zerbricht und Suizid begeht, auf die Bühne gebracht. Ein Paukenschlag, auch ein Tabubruch; Publikum und Presse horchten auf. Die Geburtsstunde eines Theaters in der Provinz, aber kein Provinztheater und schon gar kein provinzielles Theater, so Thomas Vogel Chefredakteur des SWF.
Die Theatercompany Lindenhof erhebt eine ganz eigene Stimme, sucht nicht im Abstrakten, sondern findet Themen mitten in konkreter Lebenswelt. Die Aufführungen kommen mit explosiver Kraft und Wirkung mitten in der Gesellschaft an. Empfindlichkeiten, Kontroversen sind unvermeidlich. Aber zu spüren ist vor allem enthusiastischer Zuspruch, intensive Beschäftigung mit Inhalten, Begeisterung über die Ästhetik und Form der Aufführungen und Jubel über Kraft und Ausdruck des Spiels. Das Theater Lindenhof vertraut auf die ländliche Herkunft der Akteure und den schwäbischen Dialekt, baut auf Stoffe aus der Region und auf den Traum von einem selbst bestimmten, gesellschaftspolitisch orientierten Theatermachen, das die Menschen erreichen will.
Das unglaubliche Unternehmen auf karger ländlicher Hochfläche ein Theater einzurichten war als Zukunftsvision gedacht, wurde aber aufgrund des regen Zuspruchs von Publikum und breiter Öffentlichkeit, schnell zu greifbarer Realität, zum Theaterwunder von der Schwäbischen Alb – wie es die Presse formuliert.

Der Pioniergeist, der dem ganzen Unternehmen innewohnt, hat immer wieder zu künstlerisch herausragenden Aufführungen geführt und oft für Überraschungen gesorgt – und tut es auch heute noch. Der Lindenhof ist zum Inbegriff für das etwas andere Volkstheater, für ein besonderes Heimattheater geworden, das einen möglichst direkten Zugang auf Themen, eine möglichst vertiefende Auseinandersetzung sucht, eine möglichst kernige Umsetzung finden will und den Humor dabei nicht vergisst. Anspruch auf Inhaltlichkeit, Ästhetik und sprachlichen Ausdruck ist dem Theater eigen. Historie und Heutiges, Archaisches und Visionäres, Aufklärung und Unterhaltung werden spielend vereint. Überregionale Medien sind längst aufmerksam geworden. Das Theater Lindenhof gastiert mit seinen Inszenierungen in ganz Baden-Württemberg, in München, Hamburg, Berlin, der Schweiz und selbst in Italien und Tadschikistan. Vielfältige Kooperationen mit unterschiedlichsten Partnern sind zudem zu einem Markenzeichen des Theaters geworden.

Die Bandbreite der Produktionen reicht von kleinen Brettlesbühnenaufführungen bis hin zu großen Inszenierungen mit bis zu 200 Beteiligten. Mit seinem Ensemble erstellt das Theater jährlich zwischen vier und sechs Neuproduktionen und erreicht ca. 20.000 Zuschauer in Melchingen und zwischen 20.000 und 30.000 Zuschauer auf Gastspielreisen.

Das Theater Lindenhof erhielt dreimal den Theaterpreis der Stuttgarter Zeitung, den Hölderlin-Preis der Universitätsstadt Tübingen sowie Auszeichnungen beim Festival »Politik im freien Theater«.
Auch im Jahr 2014 wurden dem Theater weitere Ehrungen zuteil. Zwei Produktionen wurden zu den Ruhrfestspielen nach Recklinghausen eingeladen, und die Inszenierung »Homo Faber« hat den begehrten und bundesweit ausgeschriebenen Monica-Bleibtreu-Preis der Privattheatertage in Hamburg gewonnen.

Es tut mir leid, das zu schreiben, aber bis vorgestern wusste ich nicht, dass es Melchingen gibt. Es ist ein Dorf auf der Schwäbischen Alb mit 970 Einwohnern. Und einem Theater. (…) Und eines muss man vorweg sagen: Solange es solche Theater gibt, ist Deutschland nicht verloren. (…) Ein Text zum Nachdenken, toll inszeniert und einfach erzählt. »Homo Faber« aus Melchingen überzeugt bei Privattheatertagen.“ (Armgard Seegers Hamburger Abendblatt 26.06.2014)

2014 erhielt das Theater Lindenhof aus der Hand der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Frau Monika Grütters, den BKM-Preis für kulturelle Bildung 2014 für das Projekt:
»Ein Dorf im Widerstand«. Konzertiertes Spiel zum Mössinger Generalstreik 1933.
»Dieser Preis ist eine Bestätigung für die erfolgreiche Arbeit des Theaters Lindenhof, das mit enormer Kreativität ein neues Verständnis von Volkstheater geschaffen und einen veränderten Blick auf dieses Genre ermöglicht hat.« (Jürgen Walter, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BW)

2015 wurde die Produktion „Dr nackte Wahnsinn“ als eine von drei nominierten Produktionen, seitens der Jury der Privattheatertage Hamburg, in der Kategorie Komödie für den Monica-Bleibtreu-Preis nominiert.