Weil es das Theater Lindenhof ist…
… sind Schauspieler*innen auch (nur) Menschen

Von Sabine Koch

Ob das hier Requisiten sind? Nein – Sie blicken auf Gegenstände, die den Alltag der Schauspielenden am Theater Lindenhof begleiten (können). Eine Anstellung als Schauspieler*in am Theater benötigt viel Offenheit und Flexibilität. Der Beruf erfordert einen stetigen Balanceakt zwischen Beruflichem und Privatem. Daher wird das hier ausgestellte Textbuch von einem Schnuller und einem Fieberthermometer begleitet.

Das Theater Lindenhof achtet auf ein gesichertes Arbeitsverhältnis für seine Angestellten. Es bietet ihnen unbefristete Festanstellungen in Vollzeit. Dies ist durchaus nicht die Norm an Theaterhäusern: Dieses Ensemble besteht seit Jahrzehnten und Wechsel finden nur selten und vereinzelt statt.

Die schwierige Trennung von Beruf und Privatleben ist dennoch ein großes Thema für die Schauspielenden des Theaters. Die Anforderungen, vor denen sie stehen, verlangten schon immer viel Flexibilität, wie sich Bernhard Hurm erinnert. Seine damalige Frau war ebenfalls Schauspielerin am Theater Lindenhof:

„Da haben wir immer ein Kindermädchen mitgenommen, die war hinter der Bühne, da haben wir teilweise hinter der Bühne den Jungen gestillt und dann ist sie wieder auf die Bühne gegangen.“

Private Verpflichtungen kommen öfters zu kurz. Ohne Leidenschaft für das Spiel und die Kunst entsteht schließlich kein guter Theaterabend. Da muss abgewogen werden, was Priorität hat:

„Der Beruf ist manchmal mehr als ein Spagat, das ist manchmal auch richtig zerreißend. Weil zum Beispiel eine Theateraufführung, die sagst du ja nicht einfach so ab, nur weil dein Kind gerade 40 Fieber hat.“ (Franz Xaver Ott)

Zu arbeiten, obwohl man selbst – oder eines der Kinder – krank ist, gehört zum Schauspieler*innenalltag dazu. Für sie ist ihre Arbeit am Lindenhof nicht einfach ein Beruf, sondern vielmehr eine Berufung:

„Wenn man sagen würde ‚Nein, ich brauche einen geregelten Arbeitstag, danach will ich meine Ruhe haben‘, das würde ja gar nicht funktionieren. Deswegen geht es nur, wenn du es als eine Art Berufung begreifst.“ (Linda Schlepps)

Die Schauspieler*innen entscheiden sich immer wieder aus freien Stücken, Erkältung und empfohlene Bettruhe, aber auch private Ereignisse hintanzustellen und stattdessen aufzutreten. Sie verstehen ihre Arbeit als eine künstlerische Sinnaufgabe und sichern sich damit nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern identifizieren sich auch persönlich mit ihrer Tätigkeit. Es geht ihnen um die Freude am Schauspielern, um die Kunst.

Ihren Beruf schätzen sie trotz seiner Widersprüchlichkeiten wert als eine privilegierte Arbeit, in die sie ihre persönlichen Erfahrungen und Qualitäten einfließen lassen können. Die Schauspielenden am Lindenhof sind demnach auch ‚nur‘ Menschen, die mit Leidenschaft und ganzem Einsatz künstlerisch tätig sind.