Weil es das Theater Lindenhof ist…
…wird Leidenschaft zum kulturpolitischen Drahtseilakt

Von Charlotte Meyer zu Bexten

Leidenschaft und Papierstapel: Nicht unbedingt zwei Aspekte, die man intuitiv zusammendenkt. Die zwei gezeigten Papierstapel sind nicht unbeschrieben, sondern es sind Anträge des Theater Lindenhof auf Projektförderungen. Der kaufmännische Leiter Christian Burmeister-van Dülmen ist Profi im Schreiben solcher Anträge. Deshalb ist der Stapel der genehmigten Anträge höher als der der abgelehnten.

Was wie eine gute Nachricht klingt, trügt: Die Förderanträge stehen für ein großes Problem bei der Finanzierung des Theaters. Der Lindenhof ist ein Privattheater, deshalb muss er mehr als 50 Prozent der Einnahmen aus Kartenverkauf und Projekten selbst erwirtschaften. Das führt zu einem ständigen Abwägen von Kunst und Ökonomie.

Kulturförderung ist in Baden-Württemberg eine freiwillige Aufgabe und liegt primär im Zuständigkeitsbereich der Kommunalpolitik. Somit kann jede Stadt selbst entscheiden, wieviel Geld für Kultur sie jährlich ausgibt. In großen, wohlhabenden Städten ist das gut möglich, im ländlichen Raum wird es zum Problem: Der Lindenhof gehört zu Melchingen, einem Ortsteil von Burladingen. Die Stadt unterstützt das Theater jährlich mit einem Betrag zwischen 20.000 bis 40.000 Euro. Mehr geht kaum, denn die Kommune ist klein. Bei jährlichen Gesamtausgaben des Theaters von knapp zwei Millionen Euro ist dieser Unterstützungsbetrag jedoch bei weitem nicht ausreichend.

Die finanzielle Ausstattung eines Theaters steht also in direktem Zusammenhang mit seinem Standort. Deshalb ist das Land Baden-Württemberg dem Lindenhof entgegengekommen und hat es zum ersten „Regionaltheater“ Deutschlands mit besonderem Fördermodell gemacht: „Normalerweise bekommt jedes Kleintheater vom Land für einen Euro kommunalen Zuschuss 50 Cent. 1993 hat man erkannt, dass dies zu wenig ist und gesagt, man dreht den Schlüssel um und macht aus der 1:0,5-Förderung eine 1:2-Förderung“, erläutert der kaufmännische Leiter das sogenannte ‚Lex Lindenhof‘-Modell. Dieses Förderschema wird auf Gelder angewendet, die das Theater aus (Partner-)Städten und aus den Landkreisen erhält.

Doch bleibt der Lindenhof auch als „Regionaltheater“ von Projektgeldern abhängig. Er wird nicht institutionell gefördert, obwohl er ein Vorzeigebeispiel für Kultur im ländlichen Raum ist. Viele sehen Kunst und Kultur nach wie vor nicht als ein gesellschaftliches Grundbedürfnis an. Daher muss der Lindenhof viel Leidenschaft aufbringen, um das Theater zu erhalten. Diese Leidenschaft, zusammen mit der (finanziellen) Planungsunsicherheit und einem unregelmäßigen Alltag hinterlässt Spuren: Wenn nicht gespielt wird, gibt es keine Einnahmen. Dann gibt es Stress, der auch im Lindenhof zu Krankheit und Burnout führt. Da reicht ein lobendes Schulterklopfen nicht aus – monetäre Anerkennung ist wortwörtlich notwendig. Doch auch eine Landesregierung muss abwägen, an wen sie die Steuereinnahmen nach welchen Vorgaben in der Kulturlandschaft auszahlt. Für den Lindenhof heißt es damit weiterhin: Projektanträge stellen, bis der Stapel zur Decke reicht.