Sie treten hervor aus dem Dickicht der Wälder, sie kommen den Zuschauern entgegen, über die Weite der Wiese, sie tragen rätselhafte, erschreckende Masken. Sie sind Kräfte der Natur und Kultur, sie konfrontieren den Menschen mit der Welt, sind Spiegelbilder und Chiffren; sie feiern das Ende des Menschen, so wie er war, bis jetzt, läuten eine Zeitenwende ein – und dann verschwinden sie wieder, im Wald. Wer am Samstagabend mit dem Theater Lindenhof hinauszog in die Natur oberhalb von Salmendingen, der erlebte Wunder. „Auf offener Lichtung“ hat der Lindenhof seine Natur-Theater-Wanderung genannt; sie dauert mehr als drei Stunden, sie macht aus Zuschauern Beteiligte, die Ausdauer zeigen müssen, sie stellt Fragen, lässt Bilder entstehen, lässt Zustände zu Wort kommen. Fakten, Einfälle, Emotionen, Wut und Zukunftsangst, Ironie, Poesie erfüllen die Flure. Man wandert, man schaut, man denkt, man staunt. […] Die Wiese, der Wald, die weite Fläche, die kleinen schattigen Winkel werden vom Theater Lindenhof fantastisch bespielt, Zuschauer beständig in neue Szenarien verwickelt. […] Die Zuschauer erleben die Natur als das große Andere, vom Menschen verdrängt, vergessen; nun spricht es zu ihnen, sprengt das Theater ein Narrativ, vom weißen Mann geschaffen, der allem einen Platz zuweisen will: „Hört uns an. Wir bleiben, solange ihr uns lasst. Und müssten nicht so sprechen als »wir« und »ihr«, wenn nicht der Mensch selbst das so erfunden hätte, uns, als euer gegenüber“. Es gibt eine Pause, in der die Theaterwanderer sich niederlassen auf der großen Wiese und ihren hoffentlich mitgebrachten Proviant verzehren. Zuletzt feiert das Ensemble sein Fest, auf einer Bühne, auf der großen Lichtung. […] Das Publikum steht, betroffen, überwältigt, und blickt den Schauspielern nach, die über die Weite der Lichtung davonschreiten, verschwinden, im Wald. (Thomas Morawitzky)