Franz Xaver Ott, der Lindenhof-Schauspieler, Autor und Archäologe der regionalen Geschichte, hat sich intensiv mit dem Mann von der Alb beschäftigt, der seine irrwitzige Lebensbahn überwiegend in Anstalten ziehen musste. Sein Solo „Ikarus vom Lautertal“ brachte er am Freitagabend als grandioses Monospektakel auf die Bühne einer ausverkauften Bogenhalle in der einstigen Mössinger Pausa. Für das Stück unter der Regie von Finn Bühr (großer Name! Es ist tatsächlich der Sohn von Siegfried Bühr) und mit musikalischer Untermalung des Tübinger Avantgarde-Gitarristen und Klang-Tüftlers Thomas Maos nahm sich Franz Xaver Ott vor allem Mesmers erstaunlichen Lebensbericht auf 18 eng getippten Seiten, aber auch andere Schriftzeugnisse – Briefe, Gedichte, Berichte – eines hochoriginellen und gedanklich vollkommen klaren Sprach-Akrobaten mit präzisem Gedächtnis zur Vorlage. Es ist eine hohe Kunst, erzählende, berichtende Prosa, einen Monolog bühnentauglich zu machen. Mit seiner ganzen langen Schauspiel-Erfahrung und einer staunenswerten Präsenz gelingt das Franz Xaver Ott ganz großartig. Kleine Gesten, Bewegungen und Tätigkeiten, viel so genaues wie geduldiges Timing und eine außergewöhnlich konturstarke Diktion machen ihm das möglich. Ein paar schwarzweiße Video-Einspieler im Hintergrund bringen zusätzliche Lebendigkeit in die hochspannende, höchst intensive Darbietung. Die kreativen Klangexperimente zwischen Geräusch und Ton, Loop und Rhythmusmaschine, dazu und auch mal gefälligen Akkorden oder Arpeggien, die Thomas Maos beifügte, waren sorgsam abgestimmt, gerieten aber zulasten der Textverständlichkeit stellenweise eine Spur zu laut. (Martin Bernklau, online abrufbar: https://cul-tu-re.de/lindenhof-die-freiheit-des-irren/)